Janina Loh

"Auf dem Weg zu einer technologischen Utopie der Alteritäten. Ein kritisch-posthumanistischer Ansatz mit und über Hannah Arendt hinaus"

Im Rahmen dieses Projekts soll gezeigt werden, inwiefern Hannah Arendts Theorie der Urteilskraft einige der argumentativen Lücken kritischer Posthumanist*innen füllen kann, obwohl sie selbst keine kritische Posthumanistin war. Allerdings finden sich in ihrem Werk die Primärmerkmale des kritischen Posthumanismus (Loh 2018). Neben Arendts Konzept der Urteilskraft verwende ich ihr Verständnis von Verantwortung, um einen kritisch-posthumanistischen und damit technik-feministischen und inklusiven Ansatz der Exemplarität als Grundlage einer technologischen Utopie der Alteritäten zu formulieren. Diese technologische Utopie der Alteritäten als Entwurf einer Ethik der Exemplarität fokussiert insbesondere die Ethik der Wissenskulturen, d.h. die Ethik der Expert*innen und Institutionen, die Fakten, Tatsachen und Wissen schaffen.

Das Ziel dieses Projekts ist es, einen Begriff von Exemplarität zu entwerfen, der die Konzepte der Verantwortung und Urteilskraft umfasst und nicht in die Fallen des westlichen Humanismus tappt. Exemplarität soll zwar relational gedacht werden, ohne dabei jedoch das handelnde Individuum gänzlich aus dem Blick zu verlieren. Das ›Spielfeld‹ dieses Konzepts der Exemplarität ist die Landschaft der Wissenskulturen, die über das Moment der technologischen Utopie einer fundamentalen Kritik unterzogen wird.

Das traditionelle Konzept der Verantwortung wird eine kritisch-posthumanistische Transformation erfahren; selbige wird nicht als Kompetenz, die einem Individuum essenzialistisch zugeschrieben wird, begriffen, sondern als etwas, dass nur prozessual im menschlichen Miteinander zu lokalisieren ist. Die Rekonstruktion von Arendts Idee der Urteilskraft wird zeigen, dass auch diese zwar die Individuen nicht gänzlich aus dem Blick verliert, wohl aber nur in einer gemeinsam geteilten Welt zum Einsatz kommen kann.

 

Dr. Janina Loh (geb. Sombetzki) ist Universitätsassistentin (Post-Doc) im Bereich Technik- und Medienphilosophie an der Universität Wien.

Sie hat an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und von 2009 bis 2013 im Rahmen des von der DFG finanzierten Graduiertenkollegs Verfassung jenseits des Staates: Von der europäischen zur Globalen Rechtsgemeinschaft? promoviert, betreut durch Prof. Volker Gerhardt und Prof. Rahel Jaeggi. Ihre Dissertation Verantwortung als Begriff, Fähigkeit, Aufgabe. Eine Drei-Ebenen-Analyse erschien 2014 bei Springer VS.

Janina Loh arbeitet nun, nach einem dreijährigen Post-Doc-Aufenthalt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2013-2016), seit April 2016 in Wien. 2018 erschien von ihr die erste deutschsprachige Einführung in den Trans- und Posthumanismus (Junius), die gerade für die zweite Auflage überarbeitet wurde. Ihre Einführung in die Roboterethik (Suhrkamp 2019) wurde eben fertig gestellt. Ihr Habilitationsprojekt verfasst sie zu den Kritisch-Posthumanistischen Elementen in Hannah Arendts Denken und Werk (Arbeitstitel).

Zu ihren engeren Forschungsinteressen zählen neben der Verantwortung, dem Trans- und Posthumanismus und der Roboterethik auch Hannah Arendt, feministische Technikphilosophie sowie Ethik in den Wissenschaften.

 

 

"Towards a Technological Utopia of Alterities. A Critical-Posthumanist Approach With and Beyond Hannah Arendt"

This project aims to show to what extent Hannah Arendt's theory of judgement can fill some of the argumentative gaps of critical posthumanists, although she herself was not a critical posthumanist in the genuine sense of the word. However, her work contains the primary features of critical posthumanism (Loh 2018). In addition to Arendt's concept of judgement I use her understanding of responsibility to formulate a critical-posthumanist and thus technical-feminist and inclusive approach of exemplarity, to serve as the basis of a technological utopia of alterities. This technological utopia of alterities as a draft of an ethics of exemplarity focuses in particular on the ethics of the knowledge cultures, i.e. the ethics of experts and institutions who create facts and knowledge.

The aim of this project is to develop a concept of exemplarity that includes the concepts of responsibility and judgement, but does not fall into the traps of traditional Western humanism. Exemplarity is to be thought relationally and processually, but without completely losing sight of the acting individual. The ›playing field‹ of this concept of exemplarity is the landscape of the knowledge cultures, which is to be subjected to a fundamental critique via the moment of technological utopia.

The traditional concept of responsibility will undergo a critical-posthumanist transformation; understanding it not as an ability or competence that is essentialistically attributed to an individual, but as something that can only be localized processually in human coexistence. The reconstruction of Arendt's idea of judgement will show that she does not completely lose sight of the individuals. However, judgement can only be realized in a jointly shared world.

 

Dr. Janina Loh (née Sombetzki) is university assistant (Post-Doc) in the field of philosophy of technology and media at the University of Vienna.

She studied at the Humboldt University Berlin and wrote her dissertation (2009-2013) on the issue of responsibility – Verantwortung als Begriff, Fähigkeit, Aufgabe. Eine Drei-Ebenen-Analyse (Springer 2014) – as a fellow at the graduate school Verfassung jenseits des Staates: Von der europäischen zur Globalen Rechtsgemeinschaft?, supervised by Prof. Volker Gerhardt and Prof. Rahel Jaeggi.

After a post-doc position at the Christian-Albrechts-University Kiel (2013-2016), Janina Loh is now (since April 2016) in Vienna. She just published the first German Introduction to Trans- and Posthumanism (Junius 2018) and is about to publish an Introduction to Robot Ethics in German language (Suhrkamp 2019). She habilitates on the Critical-Posthumanist Elements in Hannah Arendt's Thinking and Work (working title).

Janina Loh's main research interests lie in the field of trans- and posthumanism (especially critical posthumanism), robot ethics, feminist philosophy of technology, responsibility research, Hannah Arendt, theories of judgement, and ethics in the sciences.